Eine Frage, die ich mir heute stelle und somit an alle Lehrer, Eltern und Interessierte gerne weitergebe. Denn immer und immer wieder kommen zu uns Schülerinnen und Schüler ins Coaching, bei denen keine einzige Lehrerin und kein einziger Lehrer nach dem WARUM gefragt hat.
Eine Frage von einer LehrerIn: Warum werden die Hausaufgaben weiterhin vergessen?
Das ist eine Frage einer Lehrerin in unserer Lerncoach-Ausbildung.
Sie fragte mich: „Alexandra, was hältst Du eigentlich von der Hausaufgaben-Vergessen-Strichliste mit den Folgen Nachsitzen und Verweis.“
Meine Antwort war in der ersten Form eine Frage:
„Wozu gibst Du den Schülerinnen und Schülern Hausaufgaben auf?“
Generell bin ich der Meinung, dass Hausaufgaben für die Schüler zur Übung vorgeschlagen werden. Eine weitere Antwort-Option wäre, dass es der Unterrichtsvorbereitung dient.
Gehen wir mal davon aus, dass es sehr wichtig ist, dass die Hausaufgaben erledigt werden. Was motiviert Schülerinnen und Schüler? Glaubt wirklich irgendeine Lehrerin oder irgendein Lehrer, dass die Schüler hochmotiviert ihre Hausaufgabe machen, wenn sie ihnen mit Strafen drohen?
Bis zum Umfallen werden die „Hausaufgaben-Vergessen-Strichlisten“ geführt – Nachsitzen verordnet – Verweise ausgestellt. Und, mit welchem Effekt? Mit kaum einem wirklichen Effekt – wie mir verschiedene Lehrkräfte bestätigt haben.
Und wieso fragt jetzt keiner WARUM?
Was ist der Grund? Was kann ich als Lehrer anders machen? Wie kann ich die Schüler zu den Hausaufgaben motivieren?
Wenn es mir als LehrerIn wirklich wichtig ist, dass die Schüler die Hausaufgaben machen und vor allem, dass ich es für die Schüler wichtig finde – nicht für mich als LehrerIn, dann darf ich nach dem WARUM fragen.
[Tweet „Und noch wichtiger: ich darf als Lehrer bereit sein, etwas zu verändern.“]
Ja klar, es gibt sie, die engagierten Lehrkräfte, bei denen es zum Beispiel in der Grundschule „Hausaufgaben-Joker“ gibt. Zu Beginn des Schuljahres erhält jedes Kind drei Hausaufgaben-Joker. Wird einmal die Hausaufgabe vergessen, darf das Kind einen Joker „abliefern“. Zeigt es am nächsten Tag die Hausaufgaben unaufgefordert vor, bekommt es den Joker wieder zurück. Wer am Jahresende alle drei Joker noch hat, wird belohnt bzw. die ganze Klasse, wenn alle die Hausaufgaben-Joker noch vollständig in ihrem Besitz haben.
Und es gibt so viel mehr Ideen …. bis hin zu dem Punkt: Die Hausaufgaben liegen in der Verantwortung der Kids.
Warum schreibt das Mädchen und der Junge so viele Fehler im Diktat?
Eines meiner Lieblingsthemen bei dem so gut wie nie nach dem WARUM gefragt wird. Hier gibt es ja eine Diagnose dafür: Lese-Rechtschreibschwäche (LRS) – fertig. Nachteilsausgleich und das Thema ist „gegessen“. Nur leider ist es nicht so.
Würden hier mehr LehrerInnen nach dem WARUM fragen, gäbe es diese wilde Diagnosen-Verteilung nicht mehr. Wenn alle sich ganz einfach mal mit diesem Thema ernsthaft beschäftigen würden, wäre die Lösung denkbar einfach.
Es gibt massenweise Kinder in Deutschland, denen der Stempel „LRS“ aufgedrückt wird. Die Eltern bestehen oft auf den Nachteilsausgleich, damit das Kind nicht so unter Druck steht. Doch wo kommt dieser Druck denn her?
Warum schreibt ein Kind denn so viele Fehler? Warum schreibt es die Wörter auch immer unterschiedlich falsch? Warum liest das Kind so ungern? Warum bringt häufiges Schreiben überhaupt keine Veränderung?
Ganz viele WARUMS, die anscheinend nur die wenigsten Lehrer interessieren. Traurig und wahr. Erschreckend.
Und es gibt zu allen Fragen Antworten. Antworten, die den großen Pool von Möglichkeiten öffnen.
Warum schreibt ein Kind die Wörter immer unterschiedlich falsch, liebe Lehrer?
Ganz einfach, weil es kein Bild zu diesem Wort hat. Es kann keinen visuell-kinästhetischen Abgleich vornehmen. Aus diesem Grund kann es auch gar nicht feststellen, dass das Wort „komisch geschrieben aussieht“. Es hat keine Vergleichsmöglichkeit.
Die Lösung ist ganz einfach: bauen sie das innere Wörterbuch auf. Es gibt massenweise Strategien dazu – die die Kinder sogar sehr gerne selbständig zuhause durchführen.
Warum liest das Kind auch noch ungern? Lesen könnte ja helfen. Was für ein Irrglaube. Das Lesen ist für die „LRS-Kinder“ äußerst unangenehm. Warum? Sie hören ihre eigene Stimme beim Lesen. Das ist bei uns allen so, nur bei den Kindern, mit „LRS“ ist es so, dass sie Buchstabe für Buchstabe lesen – nicht in Wortsilben – und das bedeutet ein extrem langsames Tempo. Wenn sie das Wort dann endlich zusammengesetzt haben, lesen sie es noch einmal, um die Bedeutung zu verstehen. Daraus folgt, dass das Lesen enorm anstrengend und nervend ist.
Warum bringt häufiges Schreiben keine Veränderung? Na, ganz einfach: es wird keine andere Strategie verwendet, sondern die gleiche, wie immer. Schreiben nach dem Hören … frustrierend für alle.
Ich habe immer noch dieses kleine Mädchen aus der 3. Klasse vor Augen. Das Coaching ist jetzt bestimmt schon 5 Jahre her. Sie sagte damals: „… jetzt schreibe ich jedes Wort schon mindestens 50 Mal und schreibe es immer noch falsch…“. Diese Aussage hat mich damals sehr getroffen. Ich visualisierte mit ihr jedes Wort nur einmal – das Strahlen, wie einfach sie nachher die Wörter schreiben konnte, war unbeschreiblich. Und mein Gefühl und Gedanke war: „…dafür mache ich das alles ….“
Warum versteht die Schülerin das Thema überhaupt nicht?
Wieder ein Thema aus einem unserer letzten Coachings. Ein Mädchen aus der 8. Klasse Realschule berichtet, dass sie das kaufmännische Rechnen überhaupt nicht mag und versteht. Sie zeigte uns einen Hefteintrag über die Bilanzierung. Darin ging es um die zwei Bilanz-Seiten „Aktiva“ und „Passiva“ – den Unterschied konnte sie nicht nennen.
Da standen dann so Ausdrücke wie Anlagevermögen, Umlaufvermögen, Fuhrpark und viele mehr. Keinen dieser Begriffe konnte Jessica (Name geändert!) uns erklären. Sie sagte zum Beispiel:“Ich habe keine Ahnung, was Fuhrpark ist“.
Und das ist die Stelle, an der ich richtig wütend werde. Lernen funktioniert bei uns allen nach dem Prinzip: Erinnerungen und Verbindungen schaffen.
Wir denken alle in Erinnerungen und Verbindungen. Neues Wissen wird „angedockt“, wenn es eine Verbindung und/oder Erinnerung dazu gibt.
Wenn dieses Mädchen jetzt beim Start in das Thema „Bilanzierung“ noch nicht einmal weiß, was Fuhrpark & Co. ist, dann werden im Gehirn keine Verbindungen geschaffen. Es knüpft nichts an – nothing!
Das bedeutet auch, dass der weitere Lernstoff, der auf dieses Basiswissen aufbaut, leider auch nicht andocken kann.
Er läuft sinnbildlich vorbei – das klassische
[Tweet „“Rechts rein, links raus – in der Mitte bleibt nichts hängen.““]
Und da kann die Schülerin nichts dazu – die Lehrkraft meiner Meinung nach schon.
Ein anderes Beispiel dazu:
Ein Mädchen der 9. Klasse Gymnasium sitzt bei uns im Coaching und behauptet bei verschiedenen Mathe-Aufgaben: „… das kann ich nicht…“
Wir nehmen eines dieser Beispiele, um zu sehen, woran diese ablehnende Haltung tatsächlich liegt. Es ist eine Sach-/Textaufgabe in der es darum geht, dass ein Mann auf seinem Bankkonto 20.000,- Euro deponiert hat. Dafür erhält dieser 3% Zinsen. Die abschließende Frage war: „Wie viel wird dem Mann nach einem Jahr gut geschrieben?“
Wisst ihr, woran es lag, dass das Mädchen diese doch sehr einfach erscheinende Rechnung nicht konnte? Sie wusste einfach mit dem Begriff „gut schreiben“ nichts anzufangen. Erschreckend, oder? Sie trug den „Stempel“: „Mathe ist wohl nicht dein Ding“….
Würden mehr Lehrkräfte nach dem WARUM fragen, gäbe es meiner Meinung nach viel mehr glückliche und erfolgreiche SchülerInnen.
Warum können manche Kinder nicht still sitzen?
Mit dieser Frage öffne ich die nächste Diagnosen-Schublade. Kinder, die im Unterricht nicht still sitzen können leiden doch meistens unter ADHS. Puuuuuhhh, das ist kein leichtes Thema. Für mich und uns immer wieder erschreckend – eine Diagnose, die oft die Gabe von Ritalin und ähnlichen heftigen Medikamenten zur Folge hat.
Es gibt ernsthaft Lehrer, die diese Medikamenten-Gabe von den Eltern fordern. Das finde ich absolut unerhört und unverantwortlich.
Hier mein Tipp an alle LehrerInnen: fragt euch bitte WARUM bleibt das Kind nicht still sitzen?
Hierzu gibt es sehr viele Antworten und vor allem Möglichkeiten, die Kinder individuell zu sehen. Und ja, hier kommt sicher ein Punkt zum Tragen: unsere LehrerInnen sind dazu nicht ausgebildet. Nicht ausgebildet nach dem WARUM zu fragen? Haben keine Zeit. Der Lehrplan ist sowieso schon so voll und lässt keine weiteren Nebenbeschäftigungen zu.
Sorry, das sind meiner Meinung nach alles nur Ausreden. Durch die tatsächliche Beschäftigung mit dem WARUM kommen alle auf Lösungen. Lösungen, die sich dann positiv auf den kompletten Unterricht auswirken.
Veränderungen bewirken zum Beispiel Lehrstrategien, die alle Schüler fordern, alle beteiligen sich, die innere Aktivierung wirkt. Kurze Bewegungseinheiten helfen, „bewegliche Sitzkissen“ und für zum Beispiel vorrangig auditive Lerntypen hilft Struktur.
Alles Erkenntnisse, die so viele nebenwirkungsfreie Möglichkeiten bieten. Und nicht zuletzt das Gespräch und die Zusammenarbeit mit den Eltern.
Meiner Meinung nach wird Schule richtig gut, wenn alle Beteiligten – Lehrer, Eltern, Schüler – zusammen arbeiten. Nicht gegeneinander – keine Schuldzuweisungen – an einem Strang ziehen.
Warum erhält dieses Video von Matthew Mockridge so viel Zuspruch?
Sehr gerne setze ich dieses Video von Matthew Mockridge an dieser Stelle in meinen Blog-Artikel. Es spricht mir aus der Seele und wir können alle so viel ändern.
Schau es Dir gerne an und schreibe mir Deine Meinung dazu – ich freue mich sehr darauf.
Warum ist die Klasse bei meinem Kollegen deutlich leiser?
Das ist eine spannende Frage, die allerdings niemand fragt.
Das habe ich selbst als Mama von einem 15-jährigen Sohn in erschreckender Weise erlebt.
Eine Lehrerin erzählte mir in der 5-minütigen Eltern-Sprechzeit, dass sie es gegen diese Klasse echt schwer hätte. Ein erster kurzer Reflex von mir führte mich zu der Aussage:“… ich finde auch besser „mit“ anstatt „gegen“ die Klasse“.
Das Gespräch lief ähnlich weiter und sie berichtete, wie unruhig die Klasse sei und das selbst die täglichen Verweise (2-5 pro Tag!) nichts brächten. Hier finde ich wäre ein WARUM auch angebracht.
Warum bringen Verweise als Massenausschüttung nichts?
Und dann kam der Punkt, dass die Klasse bei verschiedenen Kollegen ruhig sei. Anstatt hier die Kollegen nach dem WARUM zu fragen, kam die Lehrerin zu der Feststellung, dass die gesamte Klasse (Jungen und Mädchen gemischt!) etwas gegen Frauen habe. Puuuuuh!
Anstatt nach dem WARUM zu fragen, werden hier Behauptungen und Interpretationen aufgestellt. Es wird gar nicht erst nach Möglichkeiten gesucht. Wie kann so etwas sein?
Fazit:
Ich bin mir sehr sicher, dass die Frage nach dem WARUM uns alle weiterbringt und je öfter es in der Schule angewendet wird, wird es bestimmt zu vielen Möglichkeiten führen.
Und ja, ich weiß, es gibt die vielen innovativen LehrerInnen, denen die Schüler wirklich am Herzen liegen, denen es sehr wichtig ist, alle SchülerInnen zu erreichen. Die sich auch regelmäßig fort- und weiterbilden. Die haben einen sicheren „Klau-Schutz“ für ihr WARUM 😉 und verwenden es auch regelmäßig.
Vielen lieben Dank an diese für mich extrem wertvollen Lehrerinnen und Lehrer.
Herzliche Grüße
Ihre
Alexandra Aldinger
Wow Wahnsinn s toller Artikel!!! Tolle Meinung!!!
Danke!!!!
Eine Mama eines siebenjährigen Jungen in der ersten Klasse!!!!#
Vielen lieben Dank! Und sehr gerne.
Liebe Alexandra, ich gratulliere Dir für diesen wertvollen Artikel. Du bringst es auf den Punkt! Ich finde es großartig mit welch einer Power Du Deine Wahrnehmungen mit anderen teilst. Du bewegst mit Deiner Offenheit so viel und ich danke Dir von Herzen dafür. Ich wünsche mir, dass viele Menschen bereit sind bei sich selbst hinzuschauen und zu prüfen, was kann ich bei mir selbst wandeln. Die „Warum“ auch bei sich selbst zu suchen und zu finden. Liebe Alexandra weiter so!
Liebe Petra,
vielen herzlichen Dank für Dein schönes Feedback. Das freut mich so sehr.
Herzliche Grüße
Alexandra