Hausgemachter Druck: Gott weiß alles und Lehrer alles besser!
Wir erleben viele Lehrerinnen und Lehrer in unseren Fortbildungen in Schulen und auch in unserer Premium-Triple-Ausbildung zum Lerncoach-Advanced – ein sehr großes Thema ist immer wieder das Gefühl, alles wissen zu müssen beziehungsweise der große Druck, dem sich die Lehrerinnen und Lehrer aussetzen.
Nach einer Lehrer-Fortbildung in einer Schule in Niederbayern erhielten wir viel positives Feedback. Ein Lehrer sagte sogar: „oh, da habe ich bisher aber sehr viel falsch gemacht.“ An dieser Stelle ist es uns immer wichtig klar zu stellen, dass es nie um richtig oder falsch geht. Es geht darum neue Optionen zu haben, neue Möglichkeiten, die sowohl für die Lehrerinnen und Lehrer, als auch für die Schüler eine positive Veränderung bewirken. Und wir sehen von außen doch alle unterschiedlich aus, somit ist doch auch klar, dass wir innen alle anders „ticken“, oder? Warum glauben das manche Menschen immer noch nicht? Wir sind alle individuell und nur mit individuellen Methoden erreichen LehrerInnen ihre Schüler und bekommen das wertschätzende Feedback, was auch die Motivation der Lehrer wieder sprießen lässt.
Eine Teilnehmerin der Lehrer-Fortbildung sagte in der Feedback-Runde:
[Tweet „… es war wirklich super, dass alles wieder aufzufrischen, denn gewusst habe ich das schon alles.“]
Klar, ist es möglich, dass Teilnehmer schon einiges von unseren Inhalten wissen, nur dann ist die Frage, warum setzen sie es dann nicht aktiv um? Es erleichtert doch das Schulleben so immens und das auch noch für alle Beteiligten Eltern, Lehrer und Schüler.
Dieses Gefühl immer zu behaupten, dass man alles weiß ist, glaube ich, eine Phänomen von vielen lehrend tätigen Menschen. Ja, sie sagen sogar bei ihnen völlig unbekannten Themen zu ihrem Gegenüber „ja, habe ich schon mal was davon gehört…“ oder so, nur um nicht zugeben zu müssen, etwas nicht zu wissen.
Das spannendste daran ist, dass das niemand von ihnen erwartet und nur den eigenen inneren Druck erhöht.
Ich gehörte in meiner Zeit als Geschäftsführerin in einem Konzern für medizinische Software auch zu diesen Menschen, deshalb weiß ich, wovon ich spreche.
Bei mir ging alles los, als ich mir vor 26 Jahren in dieser Firma bewarb. Ich war Quereinsteigerin und hatte mein Ziel. Ja, ich wollte die Branche wechseln und stellte mir diesen neuen Job so richtig klasse vor. Da wollte ich hin. Das Vorstellungsgespräch verlief super und ich hatte den Job. Allerdings sagte ich diesen kurzfristig wieder ab, da mein Chef in meiner damaligen Anstellung meinte „Alexandra, wegen der Gehaltshöhe gehen sie nicht, ich zahle ihnen das gleiche“… Tja, und dann kam ich 2 Monate später wieder an den Punkt „Das Geld ist es nicht“. Es waren die neuen Herausforderungen und Anforderungen, die ich wollte.
Okay, das bedeutete, ich musste mich ein zweites Mal bewerben beziehungsweise dort anfragen. Und damit noch nicht genug, pokerte ich noch mal um mein neues Gehalt. Der Geschäftsführer meinte, bei diesen Forderungen muss er seinen Kollegen, den zweiten Geschäftsinhaber mit dazu holen. Dieser war dann extrem ablehnend mir gegenüber, fragte mich, warum ich glaube, solche Forderungen stellen zu können und überhaupt. Ich stand auf und sagte: „ich weiß, was ich will, was ich kann, wie ehrgeizig ich bin und wenn Sie mich nicht wollen, ich habe ja meinen Job.“ Das war die Aussage, die beide Geschäftsführer bewegten, mich einzustellen. Und auch die Aussage, die mich nach dem Gespräch im Auto zum Zittern brachte. Was hatte ich denn da los gelassen – puuuuuhhhh, hoffentlich geht das gut. Ja, das waren meine Gedanken und somit für circa 1 Jahr ein Druck ohne gleichen.
Was passierte war, egal wann immer auch auf den zweiten Geschäftsführer traf, mit dem ich intensiv zusammenarbeiten durfte, sagte ich zu allem, was er mir erklärte: „Ja, ich habe verstanden“. Hatte ich aber so gut wie nie. Die Folge war, dass ich fast jeden Tag bis nachts im Büro saß und auch noch zuhause und rauszufinden versuchte, was er mir tatsächlich sagen wollte. Klar, fand ich es immer raus, nur mit welchem irren Aufwand.
Nach circa diesem einen druckgefüllten Jahr hatte ich mir schon einen gewissen Stand bei dem zweiten Geschäftsführer erarbeitet. Als er mir wieder neue Programmfunktionen erklärte und abschließend die jedesmal folgende Frage stellte: „wissen Sie, was ich meine?“ Sagte ich klar und deutlich: „NEIN“. Er schaute mich etwas irritiert an, da er diese Aussage ja gar nicht von mir kannte und erklärte es erneut. Leider verstand ich es wieder nicht, konnte mir allerdings so ungefähr vorstellen, was er meinte. Als ich ihm dann sagte: „… meinen sie das vielleicht so ….“ sagte er „ja“ und ich: „…. dann erklären sie es doch so….“.
Seitdem war das Eis zwischen uns gebrochen und ich traute mich zuzugeben, dass ich auch mal etwas nicht wusste.
Jetzt in der Selbständigkeit mit Genialico hatte ich zu Beginn auch das Gefühl, dass ich auf jede Frage eine Antwort haben muss. Was für ein Irrglaube und Druck, den ich mir da wieder selber machte.
Und jetzt an alle Lehrenden, die anderen Menschen etwas beibringen und vielleicht auch dieses Druck-Gefühl kennen:
[Tweet „Lehrende, die auch mal zugeben, etwas nicht zu wissen, sind extrem sympathisch für Ihre Schüler.“]
Und nein, sie verlieren auch nicht den Respekt dadurch, sondern ganz im Gegenteil. In der Schule meines Sohnes gibt es eine Physiklehrerin, die bei den Experimenten schon öfters von den Jugendlichen auf die falsche Durchführung aufmerksam gemacht wurde. Nach Überprüfung hatten die Jugendlichen recht – die Lehrerin allerdings, stimmte dem nicht zu. Sie behauptete sogar, dass das Jahr 366 Tage hat. Auf den gemeinschaftlichen Ausruf der Klasse: „365“ antwortete sie: „nein, 366 und jetzt Ruhe“. Ich bin mir sehr sicher, dass hier keine böse Absicht oder sonstiges dahintersteckte, sondern ganz einfach der Druck, als Lehrerin alles wissen zu müssen. Keine Schwäche zeigen zu dürfen.
Was für ein schreckliches Druckgefühl.
Und hier nimmt das dann auch oft dazu passende schlechte Klassenklima seinen Anfang. Was glauben Sie, kommt bei den Schülerinnen und Schülern an? Und noch eine Stufe zurück, was glauben Sie, geschieht mit Ihnen, wenn Sie mit diesem Druckgefühl in die Klasse gehen. Menschen spüren die Einstellung ihres Gegenübers. Zusätzlich achten wir alle auf die nonverbale Sprache. Wenn Sie nonverbal ausdrücken, wie unwohl Sie sich fühlen und sagen allerdings, dass es Ihnen richtig gut geht, sie gerne in dieser Klasse sind und Ihren Job lieben ….. kommt das auch genauso inkongruent an. Wir alle hören als allererstes immer auf die nonverbalen Sprache – und erst recht, wenn diese deutlich von dem Gesagten abweicht.
Eine Lehrerin erzählte mir mal: „Was glauben sie, wie es ist, eine Vertretungsstunde zu haben und schon von den Kolleginnen und Kollegen im Lehrerzimmer gesagt zu bekommen: oh Gott, die 8b, na dann viel Spaß. Was, diese Klasse, ohje, ich wünsche Dir viel Glück und so weiter.“ Es ist dann eine Aufgabe diese ganzen Vorurteile abzuschütteln und völlig unvoreingenommen in diese Klasse zu gehen oder sogar ganz im Gegenteil von einem positiven Erlebnis auszugehen.
Ja, davon bin ich absolut überzeugt. Und eines, was sie noch zu mir sagte und ich absolut unterschreibe ist: wenn manche Lehrerinnen und Lehrer bevor sie das Klassenzimmer betreten, ihre Mundwinkel einfach um wenige Millimeter nach oben ziehen würden, wäre schon viel gewonnen.
In unseren Aus- und Fortbildungen geht es in erster Linie um Sie als Lehrerin oder Lehrer. Denn so, wie Sie sich fühlen, unterrichten Sie. Sie bekommen passend zu Ihrem Unterrichtsstil das Feedback der Schüler und Eltern. Und es gibt so viele kleine und sehr wirksame Methoden und Techniken, die alle dazu bringen, dass Schule und Lernen Spaß macht und einfach geht.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen von Herzen „LOSLASSEN“ und freue mich auf Ihre Anregungen sowie Kommentare.
Herzliche Grüße
Ihre
Alexandra Aldinger