„Wahres Genie ohne Herz – ist Unding – denn nicht hoher Verstand allein; nicht Imagination allein; nicht beides zusammen machen Genie –
Liebe! Liebe! Liebe! ist die Seele des Genies.“
(Gottfried von Jacquin im April 1787 in W. A. Mozarts Stammbuch)
Diesen Vers über die Liebe schrieb Gottfried von Jacquin in W.A. Mozarts Stammbuch.
Ich empfinde ihn wichtiger denn je zuvor, denn heutzutage werden Kinder danach beurteilt, wie sie sich verhalten, was sie an Leistung bringen, ob sie sich an alle aufgestellten Regeln halten können, wie erfolgreich sie lernen etc.
Ein Kind braucht allerdings nichts mehr, als wirklich gesehen und wahrgenommen zu werden. Wenn ein Kind für unerwünschtes Verhalten bestraft wird, wird in der Regel nicht geschaut, woher das problematische Verhalten kommt.
Das Kind wird also mit seinen Bedürfnissen und Schwierigkeiten nicht wirklich gesehen. Die Eltern lernen nichts für sich aus dem unerwünschten Verhalten des Kindes: über schädliche Dynamiken in der Familie, oder darüber, dass manche Regeln übertreten werden, weil sie unangemessen sind oder, und das ist das wichtigste, über eine seelische Not des Kindes.
Bestrafung ist fehl am Platze
Auch mit dem Wissen darum eine Grenze zu überschreiten, macht es das Kind trotzdem, denn es benötigt Bestätigung, es will gesehen werden und es will erfahren ob die Grenze immer noch gilt.
Es benötigt Aufmerksamkeit, so zum Beispiel aus Einsamkeitsgefühlen, Langeweile, Über- und Unterforderung oder weil es im Kindergarten/Schule schwierige Situationen erlebt hat.
Daher fordert es mit grenzüberschreitendem Verhalten diese Aufmerksamkeit ein – denn auch eine negative Aufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit. Folgt nun eine Bestrafung, liegt eher der Fokus auf dem unerwünschten Verhalten, die wahren Bedürfnisse des Kindes erhalten keine Aufmerksamkeit geschenkt und es erfährt keine wirkliche Hilfe.
Wenn Ausbrüche von Wut und Aggression zu Bestrafung statt zu Dialog und Konfliktlösung führen, lernt das Kind, negative Gefühle nicht zu zeigen. Das Kind erfährt, dass diese Persönlichkeitsanteile abgelehnt werden, und kann sie daher schlechter in ein positives Selbstbild integrieren. Sein Selbstwertgefühl und sein Selbstvertrauen werden beschädigt.
Durch Bestrafung lernt das Kind auch, dass bei Konflikten der Stärkere bestraft. Da Strafen demütigend und beschämend sind und diese zur Unterordnung führen, lernt das Kind dadurch nicht Selbstverantwortung und soziales Verhalten. Bestrafung führt zu Angst vor der Strafe, aber nicht zur Einsicht. Unerwünschtes Verhalten findet dann möglicherweise heimlich statt und das Vertrauen des Kindes zu seinen Eltern leidet. Wenn es etwas angestellt hat, wird es sich damit aus Furcht vor der Strafe nicht an die Eltern wenden.
Das Lernen wird durch Strafen behindert … und was würde die Liebe tun?
Generell wird das soziale Lernen durch Strafen behindert. Das Kind lernt nur: Ich tue etwas Falsches, werde dafür bestraft und sofort ist alles wieder gut. Manche Kinder rechnen das mit ein, tun etwas Unerwünschtes und nehmen sich dann selbst die Auszeit. Sie lernen so nicht, ihr Verhalten zu ändern, sondern nur, die „Alles wieder gut-Option“ direkt anzuwenden.
Die Verbindung zwischen Kindern und Eltern wird durch Strafen schwächer, die Eltern verlieren an Einfluss. Wenn in der frühen Kindheit keine funktionierenden Kommunikationsstrategien zwischen Eltern und Kindern aufgebaut und gepflegt werden, kann das in der Pubertät nur sehr schwer nachgeholt werden.
Wenn es keine funktionierende Kommunikation zwischen Eltern und Jugendlichen gibt, müssen also entweder härtere Strafen her, oder es ist keine Einflussnahme der Eltern mehr möglich. Eventuell kommt es dazu, dass die notwendige Ablösung der Jugendlichen von den Eltern erschwert oder verhindert wird, da die Jugendlichen gelernt haben, dass ihre Eltern immer Recht haben und bestrafen dürfen. Die Folgen für diese jungen Erwachsenen sind gravierend, häufig wehren sie sich viel später durch einen kompletten Kontaktabbruch, weil sie als eigenständige Erwachsene nicht neben ihren Eltern bestehen können.
Der Verzicht auf Strafen fällt Eltern besonders schwer, wenn sie selbst mit Strafen aufgewachsen sind.
8 wertschätzende und hilfreiche Methoden im Umgang mit ihrem Kind
1. Versichern sie ihrem Kind, dass es geliebt und geschätzt wird. Schenken sie ihm die uneingeschränkte Aufmerksamkeit und akzeptieren sie seine Meinung.
2. Sorgen sie dafür, dass der „Alltag“ abwechslungsreich gestaltet wird, unternehmen sie beispielsweise gemeinsame Ausflüge, spielen viel miteinander und ähnliches.
3. Reagieren sie ruhig und gelassen auf die verschiedenen Anforderungen, sehen sie das Positive im Handeln ihres Kindes.
4. Zeigen sie Interesse an den Gefühlen ihres Kindes, reagieren sie „empathisch“auf seine Bedürfnisse.
5. Haben sie als Ziel im „Streit“ mit ihrem Kind immer eine Lösung im Auge, die für beide Seiten akzeptabel ist.
6. Erfüllen sie das zugrunde liegende Bedürfnis des Kindes, das zu dem Verhalten geführt hat. Erkennen sie also das Gefühl dahinter. Etwa Traurigkeit, Ärger, Wut etc.
7. Schaffen sie die Akzeptanz, die es ihnen ermöglicht, zu zeigen, dass sie sich für die Gefühle ihres Sprösslings interessieren.
8. Aus ihrer eigenen Kindheit waren sie es eventuell gewohnt, direkt ein Feedback der Eltern zu bekommen, welches oft negativ gefärbt war. Atmen sie von nun an kräftig durch und denken sie daran, wie lieb sie ihr Kind haben. Sie dürfen alte Verhaltensmuster ändern.
Fazit:
Sehr wichtig ist es, die positive Absicht hinter dem Verhalten ihres Kindes zu erkennen, zu verstehen und zu akzeptieren.
Mit diesem Hintergrund gelingt es ihnen wertschätzend mit ihrem Kind umzugehen und ihm aufzuzeigen, dass sein Verhalten, im Streitfall, nicht der geeignete Weg ist, seine Bedürfnisse erfüllt zu bekommen. Zeigen sie ihm stattdessen alternative Möglichkeiten auf.
Wenn wir uns auf die Bedürfnisse und Gefühle konzentrieren, statt auf ein bestimmtes Verhalten das wir ändern wollen, dann können wir unserem Kind wirklich mit Liebe begegnen. Das Verhalten wird sich daraufhin praktisch wie von selbst ändern. Wie Jacquin schon schrieb: „Liebe, Liebe, Liebe ist die Seele des Genies.“ Sie ist ebenso die Seele des Elternseins.
Herzlichst
Ihr
Michael Müller
Kinder- und Jugendcoach
Lerncoach für Kinder, Jugendliche und Erwachsene
Lerncoach-Ausbilder und AZUBI-Coach-Ausbilder