Null Bock – Generation – Liebe + Behütung = keine Verantwortung
Gerade haben wir wieder zwei Lernerfolgs-Trainings abgeschlossen – eines in Linz, Österreich und eines in Regensburg.
Das Feedback erhalten wir immer in den abschließenden Elterngesprächen – so gestern in Regensburg. Die Kinder seien schon nach dem ersten Trainingstag deutlich motivierter gewesen, es gibt Notensprünge und, toll, sie entwickeln Selbständigkeit. Und dann kommen wir im Eltern-Gespräch zu den Tipps für Mama und Papa :-).
Sehr häufig kommt schon vor unserem Training die Sprache auf das Thema „Null Bock zu gar nix“ und „kann ich denn einem 10-Jährigen schon die Verantwortung für sein schulisches Verhalten geben?“.
Was ist der Schlüssel? Wann sind unsere Kinder motiviert? Wann wollen sie so richtig loslegen? Okay, dass die Kinder aufspringen und rufen: „juchhu, jetzt lerne ich“ wird wohl ein Traum bleiben – obwohl ;-).
Ein ganz große Bedeutung in dieser Motivations-Geschichte ist die Verantwortung.
Und da gibt es eine Geschichte, die wir auch in unseren Eltern-Seminaren sehr häufig erzählen (und ich sehe jetzt Eltern, die schon bei uns waren, uns kennen, grinsen ;-)!)
[Tweet „Die vergessene Brotbox in der Schultasche.“]
Du glaubst nicht, wie oft die Brotbox, die auch am Abend noch in der Schultasche/-Rucksack steckt ein Thema ist. Ein Papa sagte uns im Eltern-Coaching: „oh Mann, jeden Abend der gleiche Zirkus. Wir bekommen Streit, ich sage Philip jeden Abend, dass er sich endlich selbst um seine Brotbox kümmern soll. Warum kapiert er das denn nicht ? Wir haben jeden Abend dieses Theater – und klar, ich bin darüber richtig sauer, reg mich auf, wir streiten und der Abend ist fast im Eimer…..“.
Tja, warum legt Philip die Brotbox nicht raus, ist ja wirklich nicht so schwer?
Warum sollte er? Funktioniert doch. Papa macht das jeden Abend, okay, er regt sich auf, schreit rum – na und, das gehört halt dazu. Das interessante an diesem Verhalten ist, dass Philip das noch nicht mal bewusst macht. Es ist ein unbewusstes Verhalten, ich könnte auch sagen, Programm, welches hier abgespult wird. Funktioniert doch klasse. Papa holt die Brotbox raus, spült diese und megacool, morgens steckt sie schon wieder gefüllt in der Schultasche. Warum sollte Philip etwas ändern?
Nur wenn sein bisheriges Verhalten Konsequenzen hat, wird sich etwas ändern.
Und an dieser Stelle eine ganz große Bitte: es macht Sinn, Regeln und Konsequenzen festzulegen, die mit diesem Verhalten, welches geändert werden soll, auch etwas zu tun haben. Handy-Verbot, zum Beispiel, finde ich hier absolut deplatziert und nutzlos. Das wirkt meistens eher kontraproduktiv – und löst zusätzlichen Widerstand aus.
Also, Philips Papa darf die Brotbox einfach in der Schultasche lassen. Liegt diese morgens nicht draußen, wird sie nicht gefüllt. Oder Philip darf diese sogar selbst füllen . Und wenn die Brotbox Tage in der Schultasche verweilt, wird es irgendwann müffeln. Es wird auch Philip peinlich oder er findet es auch doof, schon den dritten Tag keine Brotzeit dabei zu haben.
[Tweet „Kinder übernehmen Verantwortung, wenn wir sie ihnen geben, zutrauen und vertrauen!“]
„Wir schreiben morgen Englisch“, so eine Mutter zu uns.
Kennst Du diese Aussage? Oder sowas wie „nee, wir können heute nicht, wir müssen noch lernen“?
Puh und ja, ich kenne das auch, am liebsten würde ich meinem Sohn auch gerne so manche Anstrengung abnehmen und denke mir, ich könnte ja das, dieses oder jenes für ihn erledigen. Ich könnte ja in die Schule gehen und für ihn so ein paar Dinge übernehmen, dann hat er weniger Stress ;-). Wie war das bei Dir damals? Hat Dir Deine Mutter oder Dein Vater beim Lernen geholfen, Dich laufend erinnert zu lernen oder sogar gesagt: „komm, wir schauen uns jetzt gemeinsam Englisch an“ oder „komm, wir lernen jetzt Mathe für Deinen nächsten Test“?
Bei mir war das überhaupt nicht so. Und was passiert denn, wenn „WIR noch lernen“. Ist es dann die Verantwortung des Kindes, gute Noten zu schreiben?
Wir hatten vor ca. 4 Jahren ein Einzelcoaching mit Leon, damals 11 Jahre. Erstgespräch mit der ganzen Familie und dabei äusserte der Vaters eine Aussage über die Mutter: „ja, es ist ja ihre Aufgabe, dass die Noten von Leon stimmen, aber sie kriegt es nicht hin…..“
Über seinen Sohn berichtete der Vater: „….wenn Leon wiedermal Deutsch verhaut, dann darf er zwei Seiten aus der Bibel abschreiben…“. Es war tagtäglich ein vorgegebenes Pflichtprogramm, welches Leon abarbeiten durfte.
Das dieses Verhalten überhaupt keinen Sinn macht, dürfte jedem klar sein, oder?
1.) Warum sollte Leon von sich aus motiviert sein zu lernen? Es wird ihm ja ständig gesagt, was er wann und wie lernen soll. Es wird sogar durch die Eltern entschieden, wann er lernt und ob er sich ein bestimmtes Thema/Fach noch genauer anschauen soll. Die Erfolge, die Leon hat, sind nie seine Erfolge, sondern die seiner Eltern, maximal „gemeinschaftliche Erfolge“.
Eine Idee für eine Verhaltensänderung ist:
Leon die Verantwortung für sein Lernen und vor allem auch für seine Noten zu geben. Wann werden Kinder selbständig und übernehmen Verantwortung? Wenn sie von uns auch dazu ermutigt werden, wenn wir ihnen vertrauen. Auch, wenn das Verhalten der Eltern von Leon bestimmt aus Liebe und der Motivation „nur das Beste für mein Kind“ entsteht. Es hält ihn zurück und lässt ihn in diesem Fall nicht selbständig werden – wie auch?
Ab dem Coaching galt: er darf selbst entscheiden, was er wann und wie lernt. Dazu kommt natürlich auch, dass er die komplette Verantwortung für seine Noten übernimmt. Wenn es so sein sollte, dass die Noten schlecht ausfallen, dann ist es noch mal wichtig, als Eltern sich zurück zu halten. Leon darf es dann selbst schaffen oder sich mit der Note zufrieden geben. Wichtig bei dieser Verhaltensänderung ist, dass Leon durch sein Ziel(e) intrinsisch – also, aus sich selbst heraus – motiviert ist. Das klappt, wenn er zum Beispiel für sich klar hat, was er mal werden möchte, sich in dieser Situation sieht. Oder, wenn er zum Schuljahresbeginn schon mal sein Jahreszeugnis schreibt mit den Noten, die er gerne in den Fächern schaffen möchte. Diese Zieldefinition, sogar visualisiert, hat eine Art von „Vertrag mit mir selber schließen“. Probier es doch mal mit Deinem Kind aus und Du wirst sehen, wie gut diese Technik funktioniert.
2.) Leon sagte uns in diesem Coaching, als wir alleine mit ihm waren, dass seine Hass-Fächer „Deutsch“ und „Reli“ sind. Wow! Wir waren etwas erschrocken über den doch für uns harten Ausdruck „Hassfach“ und dann ist es für uns völlig schräg, Leon bei schlechten Zensuren mit dem Abschreiben (Deutsch) aus der Bibel (Reli) zu bestrafen. Auch hier ist klar, dass nur an das Beste für Leon gedacht wurde, nur besser wird Leon dadurch nicht. Druck erzeugt schon immer Gegendruck und Widerstand. Und wir sind immer dafür, dass das Lernen Spaß machen darf, dann ist es leicht und der Lernerfolg wird einfach sein.
3.) Es ist nie und nimmer die Aufgabe der Mama, dass Leon gute Noten schreibt. Die Mutter und auch der Vater waren doch schon in der Schule 😉 und die Schule ist nunmal der „Job“ von Leon. Tatsächlich zeigen die Noten, wie gut Leon schon in einem Fach ist – es sind seine Noten und er entscheidet, ob diese okay sind oder nicht. Klar darf ich als Eltern begleiten, führen und unterstützen, wann immer das mein Kind möchte. Wenn Leon nach Hilfe fragt, darf die Mama ihm diese selbstverständlich geben. Nur nicht schon vorher, ohne das Leon die Hilfe anfordert, sozusagen schon überstülpen.
Wie schön, wenn das Thema „Schule“ nicht mehr Hauptthema in Leons Familie ist. Jeder hat seine Aufgabe – Papa im Job, Mama im Haushalt & Co. und Leon mit seiner Schullaufbahn. Gegenseitig sprechen sie über Dinge die sie gerade in den verschiedenen Bereichen beschäftigen, tauschen sich aus, unterstützen sich. Ja, das geht wirklich und wir wissen, dass in vielen Familien leider ein „Negativ-Kreislauf“ herrscht.
[Tweet „Kinder übernehmen Verantwortung, wenn wir sie ihnen geben, zutrauen und vertrauen!“]
Abends gibt Maxi, 14 Jahre, sein Handy ab, denn dann ist Schlafenszeit
Ja, die digitale Welt, nur noch Computer, Handy, WhatsAPP-Chat und Instagram. Ein heikles Thema, finde ich, denn meiner Meinung nach gibt es viele Seiten dieser doch auch tollen digitalen Welt. Bei meinem eigenen Sohn fand ich es mal ganz spannend, dass er und sein Freund sich per Skype gegenseitig in Chemie abgefragt haben oder auch Latein-Übersetzungen im Chat hin und her versendeten. Genial, meiner Meinung nach, auch dafür nutzen unsere Kinder diese Medien.
Wie es es denn jetzt, wenn Maxi, ein 14-Jähriger, wirklich cleverer Junge, abends, wenn er ins Bett geht, das Handy an seine Eltern abliefern muss?
Maxi ist in der 8. Klasse, Ganztags-Schule und wenn er heim kommt, ist schon alles erledigt, manchmal lernt er noch – selbständig.
Was zeigt dieses Verhalten der Eltern, ihm abends das Handy abzunehmen?
Es besteht kein Vertrauen darin, dass Maxi das Handy nachts auslässt. Die Eltern vermuten, dass Maxi dann im Bett noch Videos, Live-Streams oder ähnliches schaut. Ein Buch zu lesen wäre ja okay, aber Live-Streams schauen – nein, geht gar nicht.
Warum?
Ganz ehrlich, ich finde es oft sogar sehr klug von unseren Sprösslingen, sich im Fernsehen nicht durch die Sender zu zappen, hier eine Doku, da eine Talkrunde von wenig qualitativem Inhalt, sondern in YouTube ganz gezielt Dinge anzuschauen, die sie interessieren.
Und wenn es als Hausaufgabe etwas zu recherchieren gibt, wie genial – in Sekundenschnelle finden sie das Gesuchte.
Nun aber zurück. Was passiert schlimmstenfalls, wenn Maxi das Handy auch abends überlassen wird, wenn die Eltern ihm vertrauen und zum Beispiel sagen würden: „okay, noch eine halbe Stunde und dann machst Du zuverlässig das Handy aus und schläfst“.
Wenn sie ihrem Sohn vertrauen oder besser gesagt, ihm das Vertrauen schenken, ihm die Verantwortung für seinen Schlaf geben, bin ich mir sehr sicher, dass er diese auch übernimmt. Selbst wenn er mal „bis in die Puppen“ Videos oder ähnliches schauen würde, er hätte doch am nächsten Tag selbst mit seiner Müdigkeit zu kämpfen, oder? Er würde sich nicht fit fühlen und spätestens am nächsten Abend wird in die Müdigkeit ins Bett holen :-).
Meiner Meinung nach schüren wir alle durch Verbote noch mehr die Lust auf die verbotenen Dinge. Da gibt es Verbote für ein Videospiel – ohne Begründung. Was passiert? Unsere Sprösslinge wachsen in einer großen digital Welt mit wahnsinnig vielen Möglichkeiten auf und es gibt so viele Mittel und Wege dann doch an dieses „Game“ (Videospiel) zu kommen. Es heimlich zu spielen.
Und wenn ich auch nur das einfache Beispiel „Süßigkeiten-Verbot“ nehme. In den Pausen unserer Lernerfolgs-Trainings gibt es Süßigkeiten. Es ist immer sehr deutlich erkennbar, wer Süßigkeiten zu Hause essen darf und wer den Genuss verboten bekommt. Interessant dabei ist, dass die Kinder und Jugendlichen, die Süßigkeiten essen dürfen, zuhause sehr wenig Süßigkeiten zu sich nehmen und auch bei uns sich mit einer Kleinigkeit begnügen. Dagegen greifen die Kinder, mit dem Süßigkeiten-Verbot, mehrmals zu und füllen sich sogar die Hosentaschen und Backen, bis zum Übelwerden.
Mein Fazit:
[Tweet „Verbote machen Lust – Freiheit fordert Eigenverantwortung!“]
Ich bin mir sehr sicher, wenn so manches Verbot weggelassen wird, werden Kinder Verantwortung übernehmen und die Freiheit, die wir ihnen geben genießen, sowie sorgsam damit umgehen.
Was meinst Du?
Ich freue mich auf Deinen Kommentar, Deine Erfahrungen und Meinungen.
Herzliche Grüße und eine tolle Zeit
Deine
Alexandra
Lerncoach, Kinder- und Jugendcoach, Potenzialcoach, Eltern-Coach, Gedächtnistrainerin, Autorin
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