Der Lernstil heute: das Bulimie-Lernen
Hineinfressen, erbrechen, hineinfressen. Und nichts bleibt haften. So ungefähr können wir uns das Lernen an den Schulen vorstellen.
Laut Umfragen ist es so, dass etwa jeder 5. Schüler/in den zu lernenden Schulstoff unmittelbar nach der Prüfung wieder vergisst.
Sie betreiben also das sogenannte „Bulimie – Lernen“.
Dabei geben sie an, dass sie soviel zu lernen hätten, dass sie sich den Stoff nicht merken könnten.
Sie lernen deshalb nur noch für die Prüfung – und nicht fürs „Leben“.
Dabei wird dann der „gute“ Schüler/in von den Schlechten unterschieden. Denn er/ihr gelingt es, den Prüfungsstoff (am besten wortgetreu) wieder zu geben.
Ohne, dass dabei auf Nachhaltigkeit gesetzt wird.
Detaillgetreues Abprüfen steht im Vordergrund
Dabei ist die Menge des Lernstoffes enorm hoch. Zum früheren Lernstoff sind große Mengen hinzugekommen.
Es scheint dabei zu einem unbewussten „Agreement“ zwischen Lehrern und Schülern gekommen zu sein, in dem die große Menge an Schulstoff punktuell abgefragt wird.
Vom Schüler wird erwartet, dass er die vom Lehrer ausgesuchten Prüfungsfragen „richtig“ im Sinne des Prüfers beantwortet.
Gelingt ihm das, erhält er/sie eine gute Note. Nicht so wichtig ist dabei, ob der Lernstoff „nachhaltig“ im Kopf des Schülers verankert ist beziehungsweise ob das Thema verstanden wurde.
Dies ist zum immer wiederkehrenden Kreislauf geworden.
Sind Lehrer oft zu Fachegoisten mutiert?
Dieses „System“ züchtet „Fachegoisten“ heran.
Nämlich Lehrer, die den Schülern sicherlich sehr viel über die Fächer, wie etwa Geschichte, Mathe oder Englisch beibringen – jedoch nicht den Weg, wie ein jeder Einzelne zu einer nachhaltigen Bildung gelangt.
Die Lehrer zeigen sich oft vollkommen überfordert damit, jedem einzelnen Schüler/in individuell zu zeigen, wie er/sie selbständig lernen kann, damit er/sie den Wissenstoff auch langfristig behalten kann.
Zusätzlich wäre es so wichtig, dass das Lernen wieder „Spaß“ macht. Also, dürfen lustige, leichte und interessante Lernstrategien angewendet werden.
Doch leider zeigt die Erfahrung aus unseren Lehrer-Fortbildungen und der Lerncoach Advanced Ausbildung, dass die Lehrer dies nicht im Studium „beigebracht“ bekommen haben.
Sie unterrichten deshalb, zumeist, so wie es sie es selbst gelernt haben.
Doch dabei bleiben Schüler, die einen anderen Lernkanal verwenden, auf der Strecke.
Sie versuchen das Gelernte permanent auf „ihren“ Lernkanal zu übersetzen und scheitern oft wegen Zeitmangels daran.
Das heißt: das Übersetzen dauert oft so lange und der Lehrer/in ist mit dem Lernstoff schon unerreichbar weiter angelangt und nimmt auf das mangelnde „Tempo“ des Schülers keine Rücksicht.
Der/Die Schüler/in resigniert und schaltet ab. Er/sie findet Lernen langweilig.
Und so weiter…
Lernen Schüler in der Schule praktische Dinge fürs Leben?
„Ich bin fast 18 Jahre und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ne Gedichtanalyse schreiben. In vier Sprachen.“
Mit dieser Kurznachricht auf der Plattform Twitter hat die Kölner Abiturientin Naina Anfang Januar einen enormen Medienrummel ausgelöst.
Sprach sie damit doch an, was sich heutzutage sehr viele Menschen über Schule denken:
„Da lernt man sowieso nur unnütze Dinge, die man im späteren Leben nicht braucht.“
Ist das wirklich so?
Laut mehreren Umfragen ist es so, dass die meisten ehemaligen Schüler, nur etwa 10% des Lernstoffes als hilfreich für ihr späteres Leben ansehen.
Über die übrigen 90% erfahren sie erst im Erwachsenenalter und dürfen mit ihnen umzugehen lernen.
Wie sollte das Lernen aussehen, damit es effizient und nachhaltig ist?
1. Wissen benötigt Anwendung, um aus Merkwürdigem etwas Merkfähiges zu machen. Daher sollten Kinder und Jugendliche in Gruppen miteinander gemeinsame Themenwelten erarbeiten. Dabei ist soviel, spielerisch möglich.
2. Es sollte über neue Fächer nachgedacht werden, wie etwa „künstliche Intelligenz“, „Happiness“, Glück etc.
3. Individuelles Lernen darf im Vordergrund stehen. Es müssen nicht alle Kinder das Gleiche lernen. Stattdessen darf individuell auf jeden einzelnen Schüler eingegangen werden. Sie sollten nach Interessen, Fähigkeiten und Lerngeschwindigkeit eingeteilt und ein „maßgeschneidertes Lernprogramm“
erhalten.
4. Das Lernen sollte so gestaltet sein, dass effiziente Methoden verwendet werden (wie etwa Gedächtnistraining), dabei sollten sie nachhaltig sein und Spaß machen. Lehrer*innen in unserer Lerncoach Ausbildung sind jedes Mal wieder fasziniert von den vielen Möglichkeiten des gehirn- und typgerechten Lernens, welches sie – laut ihrem Feedback – auch aktiv im Unterricht anwenden.
5. Lehrer dürfen wieder positive Vorbilder sein, denn sie haben einen sehr hohen Einfluss auf das Lernergebnis. Dabei dürfen sie inspirieren statt zu referieren. Sie dürfen die Schüler dabei unterstützen, ihre Persönlichkeit zu entdecken. Sie sollen wieder begeistern, anstatt nur den Stoff zu meistern.
Fazit :
Obwohl das Schulsystem das Bulimie – Lernen bei den Schülern hervor ruft, so ist es doch schon jetzt von elementarer Wichtigkeit, dass schon jetzt die Schule so angenehm und zielführend wie möglich verläuft.
Dafür ist es notwendig, dass
- Lehrer wieder vermehrt auf ihre Vorbildfunktion achten
- effiziente Lernmethoden angewendet werden
- sukzessive über neue zu installierende Fächer nachgedacht wird
- individuell unterrichtet wird und Gruppen gebildet werden, in der die unterschiedlichen Interessenlagen der Schüler berücksichtigt werden.
Werden diese einzelnen Punkte summiert, so gestaltet sich das Lernen neu und ihm haftet nicht mehr dieser „schale Geruch“, wie bisher, an.
Und dann zeigt sich, dass der Lernerfolg so einfach ist.
Eine schöne Zeit
wünscht
Ihr
Michael Müller
Lerncoach, Gedächtnistrainer und Autor
Lerncoach – und Azubi-Coach-Ausbilder