Schulen sind nicht der Ort, an dem von Kindern erwartet wird, dass sie Fragen stellen. Denn die Rollen sind klar verteilt:
Die Lehrkräfte fragen, von den Kindern werden passgenaue Antworten erwartet – welche ihnen vorher beigebracht wurden.
An Schulen herrscht die Diktatur der Abfrage.
Es wird dabei oft nicht daran gedacht, ob der/die Schüler/in den Lernstoff überhaupt verstanden hat.
Stattdessen wird erwartet, dass er/sie die vorgegebenen Antworten detailgetreu wiedergibt.
Passiert dies nicht zur Zufriedenheit, wird eine Note vergeben, die dies widerspiegelt.
Der/die Schüler/in wird dahingehend „erzogen“, dass er/sie genau das von der Lehrkraft erwartete Ergebnis genau darstellt.
Dies wurde vonseiten der Schüler/innen verstanden, denn sie lernen nur noch das, was von ihnen erwartet wird.
Verständnisfragen bleiben dabei aus. Egal ob der „Stoff“ nun verstanden wurde – oder nicht.
Das Fragen wird gerade in weiterführenden Schulen sukzessive abtrainiert
Kinder im Kindergartenalter stellen, laut einer amerikanischen Studie, noch etwa 100 Fragen pro Tag.
Gelangen sie dann in eine weiterführende Schule, haben sie das Fragen weitestgehend eingestellt oder verlernt.
Dabei werden Neugier und Interesse an Fragen zur Gesellschaft systematisch abtrainiert.
Warum ist das Fragestellen so wichtig?
Das in unseren Schulen so häufig praktizierte Abfragen ist ein destruktives Machtinstrument.
Im Mittelpunkt steht das Wissen, nicht das Verstehen.
Es wird gepaukt. Informationen werden gelernt, um in Arbeiten abgefragt zu werden.
Tiefes Verständnis, die Fähigkeit zur Übertragung von Wissen in andere Sinnzusammenhänge entsteht dadurch nicht.
Dieses gesammelte Wissen hat eine kurze Halbwertzeit.
Es entsteht das sogenannte „Bulimie- Lernen“.
Im wahrsten Sinne: Der Stoff gelangt schnell rein und wird nach der Probe/Arbeit/Klausur wieder ausgekotzt.
Nichts bleibt nachhaltig „hängen“.
Anders ist es wenn sich der/die Schüler/in mit einem Thema auseinander setzt, etwaige Probleme identifiziert, Fragen stellt und selbst nach Lösungen sucht.
Dann wird der Lernstoff auch nachhaltig „begriffen“.
Fragen sind der Schlüssel zu Innovationen. Fragen sind der Prüfstein ob Annahmen richtig sind und das Bestehende eine Chance auf Bestand hat.
Ohne die Fähigkeit und die Bereitschaft zum kritische Fragen stellen sind wir auf die Zukunft nicht gut vorbereitet.
Fragen stellen macht klug. Für alle von uns ist es wichtig, dass wir uns von dieser vorschnellen „Antwortgesellschaft“ verabschieden.
Es wird immer bedeutender, in einer sehr komplexen und undurchsichtigeren Welt, die Fähigkeit Fragen zu stellen, Informationen zu überprüfen und von unterschiedlichen Positionen kritisch zu beleuchten.
Denn Fragen gehören zu einem Teil der Persönlichkeitsentwicklung.
Wer fragt ist selbstbestimmt und in der Lage zu reflektieren.
Er übernimmt Verantwortung.
Fazit:
Ich halte es für äusserst wichtig, dass Kinder in der Schule Fragen und Techniken des Fragestellers erlernen.
Somit würde das Fragen endlich den Status einer wichtigen intellektuellen Kompetenz erhalten.
Denn: Gute Fragen stoßen an und halten im Fluß.
Gute Fragen verengen nicht, sondern erweitern. Gute Fragen fordern und fördern. Und vor allem: Gute Fragen machen Mut!
Eine schöne Zeit wünscht
Ihr
Michael Müller
Lerncoach, Gedächtnistrainer und Autor
Lerncoach- und Azubi-Coach-Ausbilder